Kapitel 5 Mögliche Netzneutralitätsverletzungen und entsprechende Verfahren Auch diese Praxis spielte im aktuellen Berichtszeitraum eine Rolle, wobei es bei den abgefragten MVNOs im Berichtszeitraum teilweise zu Missverständnissen kam. Als Einschränkung der Rechte nach Art. 3 Abs. 1 wird tatsächlich nur die Trennung der IP-Verbindung und nicht der Abschluss von Verrechnungssessions betrachtet. Letzteres führt i.d.R. zu keiner Verbindungsunterbrechung bei der Endnutzerin oder dem Endnutzer und die zugeteilte IP-Adresse ändert sich hierbei auch nicht. Nach Gesprächen mit den betroffenen Betreibern (mit Ausnahme jenes MVNOs, der im März 2019 den Betrieb einstellte und jenem, der von einem MNO übernommen wurde) stellte sich heraus, dass es hier zu keiner willkürlichen Trennung von IP-Verbindungen kommt, sondern nur „Session-Tickets“ aus Verrechnungsgründen abgeschlossen werden. 5.5 5.5.1 Sperren von Websites aufgrund urheberrechtlicher Ansprüche Sperren von Websites im Berichtszeitraum Anbieter von Internetzugangsdiensten dürfen konkrete Inhalte, Anwendungen, Dienste oder Kategorien derselben grundsätzlich nicht blockieren, verlangsamen, verändern, einschränken, stören, verschlechtern oder diskriminieren, wobei die TSM- VO auch Ausnahmen von diesem Grundsatz kennt. So können die aufgezählten Maßnahmen ergriffen werden, soweit und solange sie erforderlich sind, um unionsrechtlichen Gesetzgebungsakten oder nationalen Rechtsvorschriften sowie deren Umsetzungsmaßnahmen zu entsprechen. Im Bereich des Urheberrechts existiert mit § 81 Abs. 1a UrhG eine Sonderbestimmung, nach der auch Anbieter von Internetzugangsdiensten zur Unterlassung der Zugangsvermittlung zu strukturell rechtsverletzenden Websites verpflichtet werden können, sofern sie zuvor von einem Rechteinhaber ordnungsgemäß abgemahnt wurden. Eine strukturell rechtsverletzende Website liegt dann vor, wenn auf dieser nicht nur in Einzelfällen, sondern systematisch und regelmäßig gegen Ausschließungsrechte im Sinne des UrhG verstoßen wird. Dies ist beispielsweise auch dann der Fall, wenn Websitebetreiber zur massenweisen Vermittlung illegaler Werkvervielfältigungen beitragen, indem sie den Nutzerinnen und Nutzern zur leichteren Auffindung gewünschter Werktitel indizierte BitTorrent-Dateien zur Verfügung stellen.4 Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch der Rechteinhaberin oder des Rechteinhabers gegen den Anbieter von Internetzugangsdiensten ist die Abwägung verschiedener Grundrechte.5 Bei der Prüfung von Ansprüchen nach § 81 Abs. 1a UrhG ist das als geistiges Eigentum geschützte Urheberrecht der antragstellenden Rechteinhaber sowie deren Recht auf wirksame Rechtsdurchsetzung mit dem Grundrecht der Internetnutzerinnen und -nutzer und Websitebetreiber sowie der am Verfahren beteiligten Access-Provider auf Freiheit der Meinungsäußerung, Informationsfreiheit und auf unternehmerische Freiheit abzuwägen.6 Da der Beurteilung von Ansprüchen nach § 81 Abs. 1a UrhG die Abwägung der angeführten Grundrechte immanent ist, stellt diese Bestimmung dementsprechend eine Ausnahmebestimmung nach Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 lit. a TSM-VO dar.7 Eine vom Anbieter von Internetzugangsdiensten ergriffene, verhältnismäßige Verkehrsmanagementmaßnahme, die der Entsprechung von solchen Ansprüchen dient, verstößt nicht gegen die TSM-VO. Im Zeitraum zwischen Frühjahr 2018 und April 2019 leitete die TKK gegenüber jenen Anbietern von Internetzugangsdiensten, die mutmaßlich den Zugang zu bestimmten 4 OGH 24.10.2017, 4 Ob 121/17y; TKK 26.11.2018, R 1-5, 8, 9/18; TKK 12.04.2019, R 1-6/19. 5 EuGH 27.03.2014, C-314/12, UPC Telekabel Wien / Constantin Film Verleih u.a. 6 OGH 14.10.2017, 4 Ob 121/17y. 7 TKK 26.11.2018, R 1-5, 8, 9/18; TKK 12.04.2019, R 1-6/19. Netzneutralitätsbericht 2019 23