Der gerade vergangene 15. Mai war ein erster wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zur nächsten globalen World Radio Conference (WRC) der International Telecommunication Union (ITU) im Jahr 2023 in Genf. Bis zum 15. Mai mussten die zuständigen Arbeitsgruppen der ITU sehr bedeutende Dokumente vorlegen. In diesen Dokumenten fließen die in der Region 1 (d.i. im Wesentlichen Europa, Afrika, Vorderasien) gesammelten Bedarfserklärungen zur zukünftigen Nutzung des gegenwärtigen Rundfunk-Frequenzbereichs 470 bis 694 MHz zusammen. Die Stakeholder des Rundfunks und des Mobilfunks waren aufgerufen, der ITU mitzuteilen, wie sie den Bedarf in der Zukunft einschätzen. So hat beispielsweise Österreichs Rundfunkbranche nach Genf gemeldet, dass in dem Frequenzbereich zukünftige, neue Rundfunksysteme für Ultra High Definition-TV (UHD) und für mobilen Empfang zum Einsatz kommen sollen und der Frequenzbereich dem Rundfunk auch noch nach 2030 für das Antennenfernsehen zur Verfügung stehen soll.
Aus Sicht des Rundfunks geht es also wieder einmal um nicht weniger als die Zukunft des Antennenfernsehens. Bei den zuletzt alle drei bis vier Jahre stattfindenden World Radio Conferences werden die Regelungen für den weltweiten Funk- und Fernmeldeverkehr diskutiert, allfällig neuen Bedürfnissen angepasst und entsprechend festgelegt. Neben einer Vielzahl an Themen, steht im Jahr 2023 die zukünftige Widmung und Nutzung des international harmonisierten terrestrischen Fernsehbandes im Brennpunkt des Geschehens.
Bei den Vorbereitungen zu einer WRC geht es darum, im eigenen Land eine nationale Position mit Stakeholdern und Politik zu erarbeiten und an zahlreichen Vorbereitungskonferenzen internationaler Organisationen teilzunehmen. Aus Sicht des Rundfunks geht es dabei im Wesentlichen um die Frage, ob die aktuelle Widmung des Frequenzbereichs 470 bis 694 MHz für den Rundfunk durch eine Co-Primärwidmung des Mobilfunks ergänzt werden soll, was allerdings weitreichendere Folgen haben kann, als die Formulierung vermuten lässt.
Dank der Digitalisierung des Antennenfernsehens und der Einführung der frequenzökonomischen Übertragungsstandards DVB-T und DVB-T2 im Verlauf der vergangenen rund 20 Jahre, war der Bedarf an Frequenzspektrum für das terrestrische Fernsehen gesunken. So werden heute ehemalige Fernsehfrequenzbereiche, nämlich das 800- und das 700 MHz-Band, als so genannte Digitale Dividende I und II für den Mobilfunk genutzt. Dies unterstützt den Ausbau des mobilen Breitband-Internets, das einen hohen Frequenzbedarf mit sich bringt. Allerdings waren die Widmungen des 800 MHz- und des 700 MHz Bandes bei den WRCs 2007 und 2012 zunächst auch lediglich um Co-Primärwidmungen für den Mobilfunk erweitert worden, bevor sie schlussendlich doch vollständig vom Rundfunk an den Mobilfunk übergingen.
Basierend auf den Ergebnissen der WRC 23, möchte die EU spätestens bis 2025 entscheiden, wie die Nutzung des Frequenzbereiches 470 bis 694 MHz nach dem Jahr 2030 in Europa aussehen soll. Dieser weite Zeithorizont ist deshalb notwendig, um allen Marktteilnehmern Planungssicherheit bei Investitionen, Produktentwicklung und Bereitstellung von Dienstleistungen zu gewährleisten.
Die nationale Hoheit über die Funkfrequenzen in Österreich obliegt dem für Breitbandausbau, Telekom und Post zuständigen Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT). Im Rahmen der interdisziplinären Zusammenarbeit unterstützt die RTR-GmbH insbesondere mit dem Fachwissen ihrer Abteilung Rundfunkfrequenzmanagement das Ministerium bei den Vorbereitungen Österreichs auf die WRC 2023.
Die Verbreitung von Fernsehen über den Standard DVB-T/T2 oder eventuell in den nächsten Jahren über den neuen 3GPP Standard „5G Broadcast“ im Frequenzbereich 470-694 MHz ist derzeit aufgrund der Frequenzentscheidung EU/899/2017 des Europäischen Parlaments und des Rates und des nationalen Frequenznutzungsplans zumindest bis 2030 uneingeschränkt möglich.
Mehr über die World Radio Conference der ITU unter https://www.itu.int/en/ITU-R/conferences/wrc/Pages/default.aspx