Liebe Leserinnen und Leser!
Ich möchte mein Editorial zu unserem aktuellen Newsletter diesesmal dazu nutzen, um mit Ihnen über die Herausforderungen, vor denen wir alle heute stehen, zu diskutieren und dabei besonders die Rolle und Relevanz von digitaler Infrastruktur zu betrachten. Sowohl in Europa als auch in Österreich werden aktuell die politischen Weichen gestellt, die in den kommenden fünf Jahren über unseren Wohlstand und unsere zukünftige Rolle in der Welt entscheiden werden. In einer Welt, die über künstliche Intelligenz diskutiert und in der Anwendungen der Quantenphysik bereits wichtiger Bestandteil unseres Alltags geworden sind, ist es meiner Meinung nach wichtig, sich dazu Gedanken zu machen und Lösungsansätze vorzuschlagen.
Digitale Infrastruktur, die wir brauchen, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben bzw. zu werden, geht weit über den Begriff der Zugangsinfrastruktur hinaus. Nichtsdestotrotz bildet diese Infrastruktur das Fundament. Es wäre wünschenswert und ist eigentlich unerlässlich, hier nicht nur einer Technologie den Vorrang zu geben, sondern in einem Gesamtkonzept zu denken. Bislang begegnet man immer wieder einzelnen "Glaubensrichtungen", was weder im Sinne eines effizienten Mitteleinsatzes noch im Sinne des eigentlichen Zieles, nämlich eine möglichst umfassende Zugangsinfrastruktur rasch und nachhaltig bereitzustellen, ist. Ein eng abgestimmtes Zusammenwirken von Versorgungszielen für Mobil- und Festnetze ist hier gefragt, um nachhaltigen Zugang auf einer möglichst großen Fläche sicherzustellen. Hier sind Politik und natürlich auch wir als Regulierungsinstitution gefordert. Es sind die notwendigen Ziele zu formulieren, Rahmenbedingungen zu definieren und konsequent umzusetzen.
Als neuer Faktor im Bereich der Zugangsinfrastruktur sind neben mobiler und fester terrestrischer Infrastruktur mit hoher Verfügbarkeit und Bandbreite bereits jetzt für die Zukunft auch Satelliten zu sehen, die das Potenzial haben, eine wirklich disruptive Technologie zu werden. Eine Frage, die sich hier stellt, ist, welche Rolle Europa bei Satelliteninfrastruktur, wenn überhaupt, noch spielen kann! Wenn im Draghi-Report darauf hingewiesen wird, dass man hier was tun sollte, hilft uns das, ohne Strategie und Budget, nur bedingt weiter. Denn wenn wir ehrlich sind, haben wir hier als Europa bereits großen Rückstand, der nur mehr schwer aufzuholen sein wird und wenn, dann sicher nicht nur mit politischen Lippenbekenntnissen, sondern nur mit einer generellen europäischen Neuausrichtung. Gemeinsames aktives Tun der Mitgliedstaaten ist hier dringender als je erforderlich. Nicht nur in diesem Bereich, aber hier besonders.
Gerade in der aktuellen Situation in Europa insgesamt und in vielen Mitgliedstaaten, wie auch bei uns in Österreich, ist es unbedingt notwendig, dem Thema der digitalen Zugangsinfrastruktur wirklich Aufmerksamkeit zu widmen, um nicht auch hier den gleichen Kontrollverlust zu erleiden, wie bei der darauf aufbauenden Cloud- und Plattforminfrastruktur. In beiden Bereichen können wir heute durch umfassende europäische Regulierungsinstrumente nur noch versuchen, unsere europäischen Standards so weit wie möglich abzusichern. Das bedeutet aber nicht, dass wir weiterhin noch maßgeblich Einfluss auf die Wertschöpfungsketten haben. Hier haben wir schon viele Chancen aus der Hand gegeben und werden das auch nicht mehr aufholen!
Aber keine Plattformen und Dienste ohne Zugangsinfrastruktur! Will Europa weiter mitspielen und durch digitale Dienste, Künstliche Intelligenz oder Quantencomputing innovativer und produktiver werden, dann brauchen wir eine Infrastruktur, die dieses Wachstum möglich macht. Und zwar schnell. Soweit die Regulierung gefordert war bzw. ist, lässt sich konstatieren, dass durch den europäischen Ansatz mit der ausgerufenen Digitalen Dekade sicherlich das richtige Ziel adressiert wurde. Betreffend die festgelegten Ziele, die wir dabei in Zukunft verfolgen wollen, sollte aber rasch durch die neue Kommission evaluiert werden, ob diese immer noch richtig sind, bzw. ob die zur Verfügung gestellten regulatorischen Werkzeuge noch immer die richtigen sind. Förderungen und transeuropäische Projekte gehen meist immer mit einem Mehr an Bürokratie einher, das bremsen kann, bevor man ins Tun kommt. Das ist bei langfristigen Investitionsprojekten im Zusammenhang mit digitaler Infrastruktur mehr als problematisch. Die Aufbruchsstimmung, die in Europa herrschte, als die Liberalisierung der Telekommunikation in den 90er Jahren eingeläutet wurde, scheint mittlerweile abhandengekommen zu sein, Digitalisierungsprogramme werden zwar abgearbeitet, aber die Vision dahinter kann keiner mehr so richtig erklären. Unbestritten ist, dass wir in Hinblick auf digitale Infrastruktur und Regulierung in Zukunft mehr Europa brauchen mit eindeutig definierten Zielen, an denen sich eine ausreichende Finanzierung zu orientieren hat und mit denen ein straffer Zeitplan zur Umsetzung einhergeht, der den Auf- und Ausbau digitaler Infrastruktur in einem gesamtheitlichen Konzept versteht, um Europa und seine Mitgliedstaaten damit wettbewerbsfähiger zu machen. Es liegt aber auch an jedem Mitgliedsland selbst, an derartigen gemeinsamen Projekten mitzuarbeiten und im Wettbewerb untereinander dafür zu sorgen, die eigene Standortattraktivität zu verbessern, um damit insgesamt Europa als Wirtschaftsstandort zu stärken. Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität bedeuten im Zusammenhang mit digitaler Infrastruktur, dass wir hochleistungsfähige Zugangsinfrastruktur in Verbindung mit einer wettbewerbsfähigen Cloud- und Plattforminfrastruktur aufbauen müssen. Dazu braucht es eine gemeinsame Vision, ein gemeinsames Wollen und ein gemeinsames Tun und erst begleitend, wo notwendig, eine gemeinsame Regulierung, die flexibel ist und zukünftige Trends rechtzeitig richtig antizipieren kann und die richtigen maßvollen Antworten dafür bereithält.
Der erste Trend ist, dass Digitalisierung immer mehr und mehr alle Lebensbereiche durchdringt. In manchen Fällen unmittelbar bemerkbar, aber in ganz vielen Bereichen auch nur indirekt. Damit verändert sich Schritt für Schritt die Art, wie wir leben und wie wir kommunizieren. Digitalisierung ist in diesem Zusammenhang oft nur ein abstrakter Begriff, in unserer eigentlichen Wahrnehmung machen wir Bankgeschäfte, gehen Einkaufen, lesen Bücher und hören Musik. Wir stellen unsere Heizung ein, stellen Anträge an ein Amt oder arbeiten im Homeoffice. Wenige denken wahrscheinlich bei der Einstellung ihrer Heizung oder der Klimaanlage mittels Mobiltelefon über die dahinterstehende digitale Infrastruktur nach. Die hat einfach zu funktionieren, genauso wie der Strom aus der Steckdose kommt. Damit das alles wirklich funktionieren kann, bedarf es eben einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur, zu der wir alle einfach und am besten uneingeschränkt Zugang haben.
Der zweite Trend ist, dass wir uns davon bereits sehr abhängig gemacht haben und damit angreifbar geworden sind - das Smartphone als Schlüssel zu unserem Leben! Sicherheit und Vertrauen sind zwei wesentliche Voraussetzungen, die für das Funktionieren unseres Alltags heute wesentlich sind. Um dafür sorgen zu können, dass Vertrauen durch ausreichend Sicherheit gewährleistet ist, ist wiederum bei der Infrastruktur anzusetzen. Nur wenn wir der uns zur Verfügung stehenden Infrastruktur vertrauen können, werden wir sie auch nutzen.
Der dritte Trend, der uns beschäftigt, sind die Bereiche KI und Quantentechnologie, die quasi als Beschleuniger der an sich schon sehr dynamischen Entwicklung dazu gekommen sind. Die Potenziale, die in diesen Technologien stecken, werden aber nur dann zum Nutzen unserer Gesellschaft umzusetzen sein, wenn wir dazu die notwendigen Ressourcen und Kapazitäten bereitstellen können. Also auch hier hängt wieder sehr viel von der digitalen Infrastruktur ab. Unter dem Gesichtspunkt dieser drei - aus meiner Sicht relevanten - Trends bzw. Entwicklungen ist dann auch die folgende Frage zu verstehen.
Damit eine Gesellschaft aus den oben genannten Trends den größtmöglichen Nutzen ziehen kann, ist es notwendig, dass die zur Verfügung stehende digitale Infrastruktur einige wesentliche Voraussetzungen erfüllt.
Wie schon oben angedeutet, steht das Thema Sicherheit ganz vorne und zwar an erster Stelle. Nur wenn eine digitale Infrastruktur, unabhängig von ihrer Größe, immer die jeweils geforderten, dem aktuellen Stand der Technik entsprechenden Sicherheitsstandards erfüllen kann, ist es möglich, darauf aufbauend eine Digitalisierungsstrategie umzusetzen, die die Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes stärkt. Sicherheit bedeutet in diesem Zusammenhang einerseits technische Sicherheit, andererseits aber auch Rechtssicherheit, die eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass überhaupt in Infrastruktur investiert wird, aber auch, dass Dienste über diese Infrastruktur genutzt werden.
Im Rahmen der technischen Sicherheitsstandards liegt bereits ein sehr umfassendes Regelwerk vor, das bezogen auf die jeweilige Netzwerktechnologie entsprechende Vorgaben definiert.
Um das möglich zu machen, bedarf es entsprechender Investitionen. Für diese Investition sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, die in einer Volkswirtschaft herrschen, besonders wichtig und vor allem die Tatsache, ob man sich darauf verlassen kann oder nicht. Rechtsicherheit ist für Investitionen in digitale Netze von essentieller Bedeutung. Wenn hier das Vertrauen der Investoren gebrochen wird, kann das nachhaltig dem Standort schaden. Es ist unbestritten, dass die Qualität, der in einem Land zur Verfügung stehenden digitalen Infrastruktur, einen Sogeffekt in Richtung der darauf aufbauenden Investitionen hat. Welche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Region zugetraut wird, hängt unter anderem heute auch von den Kapazitäten, der Geschwindigkeit, Flächenabdeckung, Nachhaltigkeit und Flexibilität seiner digitalen Infrastruktur ab, auf der weitere Geschäftsmodelle aufbauen können. Gerade die aktuelle Rezession in Österreich sollte für eine zukünftige Bundesregierung ein Auftrag sein, dem Thema der Investitionen in digitale Infrasstruktur besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Wer Aufschwung erreichen will, indem er Österreich für High-Tech attraktiv machen will, muss neben sonstigen Anreizen vorher auch die grundlegenden Anforderungen sicherstellen. Das bedeutet nicht, dass wir nicht am richtigen Weg sind und nicht schon einiges weitergebracht haben. Es wird aber mehr notwendig sein und das ist nicht nur mit direkten Förderungen zu lösen. Die Länder mit den attraktivsten Angeboten im Bereich der digitalen Infrastruktur werden zukünftig einen großen Wettbewerbsvorteil haben. Bessere Qualität, Regulierung und Burokratie mit Augenmaß, steuerliche Anreize und Vertrauen durch Rechtssicherheit sind die wesentlichen Enabler, um die es sich zu kümmern gilt.
Um im Standortwettbewerb die Nase vorne zu haben, bedarf es daher im Wesentlichen eines Plans sowie Zeit, privates und öffentliches Kapital und Ausdauer. Verbunden mit einer klaren politischen Vision einer digitalen Zukunft in unserem Land und einem vernünftigen Förderrahmen, der auch Investitionsanreize setzt, ist es klar der Wettbewerb, der den Ausbau einer digitalen Infrastruktur, wie wir sie heute und in Zukunft brauchen, erst möglich macht. Diesen Wettbewerb zu fördern und mit langfristigen Konzepten nachhaltig zu unterstützen, ist eine der zentralen Aufgaben einer zielorientierten Regulierung.
Ein großes Problem in der Union und in den Mitgliedsstaaten sind oft einseitige und kurzfristigen Konzepte, die von einzelnen Interessen getrieben sind. Gute europäische Ideen enden dann auf nationaler Ebene in mehr Bürokratie und oft auch mit zu wenig Kapital, um die geplanten Projekte richtig auf den Weg zu bringen. Ineffizienter Mitteleinsatz durch zu viel national und zu wenig europäisch führt oft nicht zu den gewünschten Ergebnissen.
Regulierung ist in vielen Mitgliedstaaten auch mehr als Aufsicht und weniger als Enabler für die Wirtschaft organisiert. Sie ist dann zwar richtig im juristischen Sinne, aber oft mit begrenztem Mehrwert für die Allgemeinheit. Aus dieser Gemengelage folgt dann, dass uns unsere Konkurrenten auf den globalen Märkten außer Sicht geraten. Gerade in Hinblick auf die neue Kommission sollte überlegt werden, durch ein ehrliches und klares Bekenntnis zu Europa und zu europäischem Wettbewerb die Investitionen in unsere gemeinsame digitale Zukunft voranzutreiben. Dazu bedarf es neben viel Geld und eindeutig definierten Zielen auch klarer Governancestrukturen, die europäisch aufzusetzen sind und dann in den Mitgliedstaaten möglichst einheitlich zu spiegeln wären, um effizient und mit möglichst wenig bürokratischem Aufwand die gesetzten Ziele wirklich aktiv umzusetzen. Gewinnen auf globalen digitalen Märkten bedeutet gemeinsame Anstrengung und beginnt mit der digitalen Infrastruktur im europäischen Binnenmarkt sowie auf den nationalen Märkten. Digitale Infrastruktur- und Standortpolitik ist heute zukunftsentscheidend.
Klingt dramatisch? Ist es auch! Um den Anforderungen in einem globalen Wettbewerb, die wir in naher Zukunft zu erwarten haben, wirklich genügen zu können, ist es an der Zeit, darüber ernsthaft nachzudenken, ob wir digital bereits zukunftsfit aufgestellt sind und wo es noch Optimierungsbedarf gibt. Wichtig ist es dabei klarzustellen, was wir eigentlich meinen, wenn wir von digitaler Infrastruktur sprechen. Wer heute von digitaler Infrastruktur im Zusammenhang mit Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität spricht, darf nicht mehr nur die Zahl aktiver Glasfaseranschlüsse oder die mit 5G versorgte Fläche im Markt vor Augen haben. Hier ist es an der Zeit, einen holistischen Blick anzustellen, der neben Wettbewerb und Innovation auch Themen wie technische und rechtliche Sicherheit, Investitionskapital und politische Rahmenbedingungen miteinbezieht.
Es gibt viel zu tun, damit es in den kommenden Jahren in Europa und in Österreich wieder nach oben geht. Digitale Infrastruktur wird dabei eine entscheidende Rolle spielen. Auch wenn ich in meinen vorigen Ausführungen nicht explizit darauf eingegangen bin, möchte ich an dieser Stelle noch herausstreichen, dass es sich beim Ausbau digitaler Infrastruktur um eine Investition auch für nachfolgende Generationen handelt. Der verantwortungsvolle und sorgsame Umgang mit Ressourcen muss daher eine zentrale Rolle spielen. Auch hier gilt es an den Chancen, die damit verbunden sind, zu arbeiten. Glasfaserinfrastruktur kann und wird einen wichtigen Beitrag leiten, um die Energiebilanz in vielen Bereichen zu verbessern.
Was wir unter all diesen Anforderungen als Regulierungsbehörde und Geschäftsstelle der TKK bereits jetzt schon tun und was wir zum Thema Kostenbeschränkungsverordnung, Wholesale Standardangebot für geförderte Glasfaseranschlüsse und KI in den letzten Monaten vorwärtsgebracht haben, aber auch, was sich international in unseren regulierten Märkten so tut, lesen Sie in den folgenden Beiträgen. Auch auf die geplante Nachhaltigkeitsveranstaltung, wo es um die zuletzt von mir erwähnten Themen gehen wird, darf ich hier hinweisen. Details dazu sind in diesem Newsletter nachzulesen.
Viel Spaß und hoffentlich die eine oder andere interessante Erkenntnis!
Ihr
Klaus M. Steinmaurer
PS: Über Feedback freue ich mich sehr. Lassen Sie uns weiter diskutieren, wie wir gemeinsam unsere digitale Zukunft gestalten können. Schreiben Sie mir unter rtr@rtr.at.